2022

December
Der grosse Sommer von Ewald Arenz

“Der große Sommer” von Ewald Arenz hat uns allen ausnahmslos gefallen. Wir haben diesen Coming-of-Age-Roman sehr genossen. Das Buch war leicht zu lesen und man konnte sich problemlos in das Leben des Protagonisten Frieder einfühlen, da die Geschichte aus seiner Sicht erzählt wird. Wir mochten den Schreibstil – er war poetisch, aber nicht übertrieben oder sentimental. Bis auf klitzekleine Ausnahmen schien alles authentisch 

In diesem Buch tauchen wir in die Welt eines Teenagers ein, der im Laufe eine Sommers unglaublich viel erlebt und reift. Da er über den Sommer für zwei Nachprüfungen – Mathematik und Latein – lernen muss, kann er nicht mit seiner großen Familie wie jedes Jahr auf Urlaub fahren, sondern muss bei seinen Großeltern bleiben, wovon er überhaupt nicht begeistert ist. Nur seine ältere Schwester Alwa bleibt wegen eines Praktikums ebenfalls zu Hause. Aber dann kommt alles anders – er lernt seine Großeltern und dadurch auch die Kriegsgeneration besser kennen, verliebt sich in Beate, die er im Schwimmbad kennenlernt, und Frieder, Beate, Alwa und Frieder’s bester Freund Johann erleben so Einiges in ihrer Freizeit. Und nebenbei wird Frieder von seinem Großvater auf geschickte Weise geholfen, für seine Prüfungen zu lernen. Dieser bietet ihm sogar einen Job in der Klinik an, wo er als Arzt tätig ist. 

Es sind zwar kleine, alltägliche Handlungen, die den Roman prägen, aber es geht in erster Linie um Beziehungen.  Besonders beeindruckend diesbezüglich war, dass der Autor auch kleine Beziehungen in fünf oder sechs Sätzen gut beschreiben konnte; ein Beispiel ist die Beziehung des Protagonisten mit seinem jüngsten Bruder.

Dieses Buch hat uns Leser auch in unsere Jugendzeit versetzt und viele von uns begaben sich ebenfalls in eine „Reise der Vergangenheit.“ Und die Freiheit, die die Jugendlichen hatten fanden wir toll – Schwimmbad, Fahrrad fahren, weniger elterliche Überwachung und Angst und natürlich kein Handy, kein Internet und keine Social Medias:). 

Drei Mitglieder versuchten zuerst das Hörbuch, aber zwei davon haben sich dann doch für das Buch entschieden. Irgendwie fanden sie die Hörversion etwas zu verwirrend, zumindest am Anfang. 

Rundherum ein Genuss. Wir können das Buch nur empfehlen und haben schon beschlossen, nächstes Jahr wieder ein Buch von Ewald Arenz zu lesen.

“Tell” von Joachim B. Schmidt war ein guter Vorschlag!! Wir haben das Buch nicht nur zu Ende gelesen, sondern diese bewegende Geschichte einfach großartig gefunden. Der Autor machte aus der Tell-Saga, deren Schiller-Version einige von uns kannten, andere aber nachlesen mussten, einen packenden Roman. Allerdings war Wilhelm Tell in diesem Buch kein Held, sondern ein getriebener, einfacher Mensch, der ständig kämpfen musste. Wir mochten den Schreibstil und das Buch war leicht zu lesen, obwohl einige von uns ein paar Wörter nachschlagen mussten. In die Geschichte wurden historische Ereignisse eingebaut und sie wurde von der Perspektive verschiedener Personen erzählt; von Walter, Tells Sohn, Wilhelms Frau Hedwig, die einst mit seinem Bruder verheiratet war, von Tells Mutter, Hedwigs Mutter, von Gessler, dem Vogt und Harras. Allerdings war das für diejenigen, die sich für die Hörversion entschieden haben, am Anfang etwas verwirrend, da nur eine einzige Stimme verwendet wurde. Eine Erklärung am Anfang, dass die Perspektive einer bestimmten Person geschildert wird, wäre hilfreich gewesen.

November
Tell von Joachim B. Schmidt

Einige von uns fanden, dass das Buch fast wie ein Film ablief, es gab viele Andeutungen, alles entwickelte sich langsam und es war trotzdem spannend. Nach der Szene mit dem Schuss las sich das Buch fast wie ein Thriller – noch spannender und alle Fäden liefen zusammen. 

Joachim Schmidt hat so viele Themen behandelt – Schuld und Sühne, Kindesmissbrauch, Macht, Tyrannei und Unterdrückung, die Verachtung anderer Menschen und den Hass auf die Bauern. 

Wir haben auch über die Charaktere Harras und Gessler diskutiert. In Schillers Wilhelm Tell hat der Kaiser Hermann Gessler in Uri eingesetzt, um für Recht und Ordnung zu sorgen und dieser missbraucht seine Stellung als Landvogt, gibt und empfängt keine Liebe. Schmidt beschreibt Gessler als Schwächling, der mit seiner Stellung hadert, seine Frau und Tochter vermisst, sich aber vor anderen keine Blöße geben will und deshalb willkürlich und brutale Befehle erteilt.

Wir können dieses Buch nur empfehlen und werden gerne wieder ein Buch von diesem Autor lesen!

August
Die Wunderübung von Daniel Glattauer

Für uns war dies das erste Buch des österreichischen Schriftstellers Daniel Glattauer. Und obwohl viele von uns nicht so gerne ein Theaterstück lesen, hat es den meisten von uns gefallen. Allerdings fanden einige, dass es sich bei dem Stück „Die Wunderübung“ nicht um eine Komödie, sondern eher um eine Tragikkomödie handelt.

Der sich entspinnende Dialog zwischen dem in einer tiefen Ehekrise steckenden Ehepaar Joana und Valentin und dem Paartherapeuten war hervorragend und zeigt deutlich die verletzten Gefühle der Ehepartner und auch, dass sie eigentlich keinen Respekt füreinander haben. Es war fast peinlich, diese Auseinandersetzung zu lesen oder zu hören. Übrigens war die Hörversion seh gut und verwendete vier verschiedene Sprecher – die vierte Stimme war der Erzähler.

Der verzweifelte Versuch des Therapeuten, Regeln für das Gespräch zu etablieren, gelang nicht und auch die Übungen brachten keine Annäherung zwischen den Partnern. Bis der Therapeut auf eine Strategie zurückgreift, mit der er plötzlich mehr Erfolg hat. Viele von uns haben solche unangenehmen Streitigkeiten zwischen Ehepartnern miterlebt. Einige Mitglieder fanden, dass es Menschen gibt, die es regelrecht genießen, vor einem Publikum zu streiten und „Punkte zu gewinnen“, andere fragten sich, ob der Autor mit dem Stück darauf hindeuten will, dass man vielleicht eine Lösung finden kann, wenn man sich nicht immer auf sich selbst konzentriert, sondern versucht auch anderen Menschen zu helfen. Andere wiederum

Juni
Die Frau aus der Nordsee von Anna Johannsen

Unser Literaturkreis liest schon seit langem jedes Jahr einen Krimi -wir lieben Krimis -, aber diese können manchmal verwirrend und schwer zu verstehen sein. Aber dies war bei „Die Frau aus der Nordsee“ von Anna Johannsen überhaupt nicht der Fall. Wir haben diesen Krimi alle zu Ende gelesen, fanden ihn einfach zu lesen und vielen von uns hat er gut gefallen. Wir mochten besonders die Landschaftsbeschreibungen; diejenigen von uns, die dieses Gebiet nicht besonders gut kennen, haben sich auf dem Internet und mit Hilfe von Karten schlau gemacht und dadurch viel gelernt, und in denjenigen, die mit dieser Region vertraut sind, wurden schöne Erinnerungen geweckt.

Bestimmte Themen wie Suchtprobleme im allgemeinen und Spielsucht im Besonderen, sowie Prostitution waren allerdings nicht leicht zu verdauen. Ein Mitglied war der Meinung, dass sich das Buch fast wie eine TV-Show las, ein anderes Mitglied fand es interessant, dass die Kommissarin irgendwie im Hintergrund bleib, aber vielleicht liegt der Grund dafür an der Tatsache, dass es sich hier um die achte Folge einer Krimiserie handelt.

Einige von uns haben das erste Mal von einer Babyklappe gehört, einer Vorrichtung, mit der Neugeborene anonym bei einer Institution abgegeben werden können. Vielleicht wird es nach der wegweisenden Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in den USA, mit der das Abtreibungsrecht des Landes gekippt wurde, auch bald zahlreiche solcher Einrichtungen hier geben.

Ein perfektes Buch für den Strand oder im Flugzeug oder Zug – spannend, leicht zu lesen und empfehlenswert. Und wir werden in ein oder zwei Jahren wieder gerne einen Krimi von dieser Autorin lesen.

April
Die Liebe im Ernstfall von Daniela Krien

Die Mehrheit unserer Gruppe ist den fünf Frauen in den Vierzigern, deren ineinander verschlungene Leben in Leipzig Autorin Daniela Krien schildert, gerne gefolgt. Das Buch war sehr gut geschrieben und wir schätzten besonders die Handhabung der wechselnden Erzählperspektiven und Zeitformen. Zwei Mitglieder haben nach der dritten Geschichte aufgehört, die alle etwas schwach fanden. Das war der Eindruck besonders bei denjenigen, die sich für das Hörbuch entschieden hatten. Es gab für jede Frau eine andere Sprecherin und die dritte war zusätzlich zum verärgernden Inhalt auch noch schwierig zu verstehen . 

Einige von uns hat es überrascht, dass es sich in diesem Buch um fünf selbstständige, beruflich erfolgreiche Frauen handelt, deren Fokus hauptsächlich auf eine Beziehung mit einem Mann gerichtet ist. Es geht um Frauen, die mit sich selbst nicht in Einklang sind, innerlich unruhig sind, und statt sich auf die Aufarbeitung von offensichtlichem Trauma zu konzentrieren, unbedingt einen Partner finden wollen. Was nicht gut ausgehen kann und sich dann leider auch negativ auf die Kinder auswirkt. Dazu kommt noch, dass keine Kompromisse geschlossen werden können, was die Basis für gute Beziehungen ist. Nur eine der fünf Frauen hat eine gute Beziehung und wird dann nach der ersten Geschichte kaum erwähnt.

Aber man kann spüren, dass die Autorin Mitgefühl für ihre Protagonistinnen hat. Sie beschreibt, was Verrat, Selbstverwirklichung, Muttersein und Kinderlosigkeit bedeuten. Sie versteht die Geschlechterrollen und den Preis, den die Frauen des “Postpatriarchats” für ihre Entscheidungen bezahlen. Was für uns, die wir in den USA leben, ein wichtiger Diskussionspunkt war. Irgendwie haben wir das Gefühl, dass die Situation für Frauen hier doch anders ist. Es wäre bei uns undenkbar, dass eine finanziell unabhängige und beruflich erfolgreiche Frau eine Bürgschaft von einem männlichen Wesen braucht, um eine Wohnung zu mieten!

Die Autorin gibt dem Leser auch einen Einblick in die Auswirkungen der zwei verschiedenen Systeme der BRD und DDR. Denn die Frauen kommen aus dem Osten und die Männer aus dem Westen und das führt zu kulturellen Spannungen. Auf alle Fälle sind wir froh, dass wir dieses Buch gelesen haben und haben uns auch entschieden, viel öfter zeitnahe Bücher zu lesen. 

März

Der Pfau von Isabel Bogdan

Wir haben alle den Debütroman von Isabel Bogdan “Der Pfau” zu Ende gelesen oder gehört und dieses Buch ausnahmslos genossen. Alle fanden das Buch ausgesprochen lustig und auch bei der Diskussion wurde sehr viel gelacht. Die Geschichte, in der es um Teambuilding, um einen verrückt gewordenen Pfau auf einem alten Herrenhaus, in dem einige Zimmer an Feriengäste vermietet werden, und auch um die britische Oberschicht geht, war zwar nicht sehr tief, aber wirklich unterhaltsam und leicht zu lesen. Nur das Wort “Pfau” mussten einige von uns nachschlagen:).

Vielen von uns hat auch der Schreibstil sehr gut gefallen, da eine Handlung nach der anderen beschrieben wird und es eigentlich keine Stellen gab, wo man sich langweilte. 

Die Geschichte wird aus wechselnden Perspektiven, darunter auch der eines Hundes, erzählt; jeder weiß etwas, was der andere nicht weiß. Aber niemand erzählt den anderen, was er weiß. Aber der Leser weiß alles!

Es war auch schön ein deutsches Buch, das humorvoll ist, zu lesen! Denn davon gibt es ja leider nicht viele. Und obwohl die Rezensionen, von denen wir einige gelesen haben, nicht so toll waren, wurde dieses Buch ein Bestseller:). 

Wir haben die Hörversion ebenfalls besprochen, denn der Sprecher war zwar fantastisch, hatte aber Probleme mit der Aussprache des Namens “Albert” und dem schottischen Getränk Drambuie. 

Wir haben auch über Teambuilding im Allgemeinen gesprochen und wir haben eigentlich alle damit Probleme, ganz besonders mit sinnlos erscheinenden Aufgaben. Viel besser finden wir es, wenn Mitarbeiter einfach Zeit miteinander verbringen und sich so besser kennenlernen. 

Wir können dieses Buch nur empfehlen, besonders wenn man sich weit weg vom Alltag bewegen will.

Januar
Exil von Leon Feuchtwanger

Das ist das dritte Buch von Lion Feuchtwanger, das wir gelesen haben und auch dieses Mal waren wir vom Schreibstil und vom Inhalt zutiefst beeindruckt. In diesem Roman geht es um den bayrischen Komponisten Sepp Trautwein, der von den Nazis von München nach Paris geflohen ist und sich bereits seit zwei Jahren im Exil befindet. Als ein Journalist der Exilantenzeitschrift Pariser Nachrichten ihn darum bittet, ihn für ein paar Tage zu vertreten, dann allerdings von den Nazis verschleppt wird, bliebt er bei der Zeitung und kämpft mit publizistischen Mitteln um seine Freilassung. In dem Rom werden allerdings viele Charakter beschrieben, u.a. ein Gegenspieler von Trautwein, der eine Beziehungen mit einer Vierteljüding unterhält, mit der er einen Sohn hat sowie der jüdische Inhaber der Exilantenzeitschrift. 

Feuchtwanger ist ein Genie wenn es um die Beschreibung der Charakter geht, besonders hinsichtlich der Tatsache, dass sich viele- zumindest anfangs – an der Grenze zwischen Gut und Böse befinden und am Ende einige ins Böse abrutschen. Die innerlichen Zwiegespräche der Charaktere sind faszinierend und zeigen, wie sie ihre Vorgangsweise vor sich selbst rechtfertigen!

Das Buch hat über 800 Seiten und deshalb haben wir es in zwei Teilen gelesen und einige haben sich sich für das Hörbuch entschieden und waren auch von dieser Version beeindruckt. Sie ist zwar wesentlich kürzer, aber obwohl einige Kapitel ausgelassen und in anderen Kapitel Sätze gestrichen wurden, war die Hörversion wortgetreu und vom Inhalt ging nichts verloren.

Es berührt einen tief, über diese Zeit vor Ausbruch des Krieges zu lesen und einen Einblick in die äußeren und inneren Erlebnisse der Emigranten, die herrschende Unsicherheit, die Sorgen, die Ohnmacht, das Schwanken zwischen Hoffnung und Hoffnungslosigkeit, den aufreibenden Alltag und das ständige Warten  zu bekommen. Und wir Leser wissen ja, dass es noch schlimmer kommen wird. Das viele derjenigen, die in Paris blieben, den Krieg nicht überlebt haben, sogar zurück nach Deutschland verschleppt wurden und dort ums Leben kamen. 

Obwohl das Buch in den dreißiger Jahren spielt ist es heute auch relevant. Denn auch viele von uns leben in Unsicherheit und warten – warten darauf, dass die Pandemie zu Ende geht, warten darauf, dass sich die politische Situation verbessert, warten, dass sich Dinge insgesamt verändern, warten darauf, dass Mitbürger aufwachen und der Wahrheit ins Auge sehen. Wann ist es zu spät?  

Ein Mitglied hat den Begriff „Boiling-Frog-Syndrom“ erwähnt; ein Experiment aus der Biologie: Setzt man einen lebendigen Frosch in kochendes Wasser, spürt er die drohende Gefahr und springt sofort weg. Aber wenn das Wasser lauwarm ist und nur langsam erhitzt wird, dann wird der Frosch verbrüht.. Das Boiling-Frog-Syndrom beschreibt die Unfähigkeit, sich zu verändern oder rechtzeitig Veränderungen herbeizuführen.