Tante Helene und das Buch der Kreise von Martin Beyer

Was für eine wunderbare Idee, das Leben der Berliner Künstlerin Irene Wedell, die 2017 verstorben ist, als Inspiration für ein Buch zu verwenden! Das genau hat Martin Beyer mit dem Roman Tante Helene und das Buch der Kreise gemacht.

Einfühlsam beschreibt er die Hürden, die der Hauptcharakter Helene überwinden muss, um als unabhängige Künstlerin und Freigeist zu überleben und “den perfekten Kreis” zu finden. Diese Geschichte, in der das Leben der Nachkriegszeit, die sich wandelnde Einstellung der Nachkriegskinder und die Schwierigkeiten, die frei denkender Frauen in den 60-er und 70-er Jahren aufgrund der konservativen und traditionsgebundenen Gesellschaft durchmachen mussten, wird facettenreich dargestellt. 

Sie wird allerdings nicht chronologisch erzählt, sondern beginnt mit dem In New York lebenden Neffen von Helene, der in den letzten Jahren eine Beziehung mit ihr aufgebaut hat und ihr gerade eine E-Mail schreibt, als ihn die Nachricht von Helenes Tod erreicht. Diesen Neffen, zusammen mit seiner Mutter und ihrer leiblichen Mutter hat Helene erst später in ihrem Leben kennengelernt. Denn als sie ihren politisch engagierten Freund heiraten will, erfährt sie, dass sie adoptiert wurde und dass ihre leibliche Mutter adeliger Herkunft und nach dem Weltkrieg in die USA ausgewandert ist. Ihre Adoptivmutter hatte nie den Mut, dies Helene zu sagen. Zwei Mütter, und eine problematische Beziehung mit beiden. Es ist viel, mit dem Helene fertig werden muss und die einzige wahre Hilfe kommt von ihrer alleinerziehenden Freundin Heidi. 

Uns hat das Buch im Großen und Ganzen gefallen und wir haben bewundert, wie der Autor es aufgebaut hat. Wir fanden den Schreibstil gut und waren auch der Meinung, dass man gar nicht bemerkt, dass es ein Mann ist, der dieses Buch aus der Sicht einer Frau geschrieben hat. Einige Mitglieder haben sich gefragt, warum der Roman mit dem Charakter des Neffen Alexander beginnt, da sein Leben in New York ein bisschen klischeehaft wirkt, besonders für uns Amerikaner. Allerdings haben wir spekuliert, dass der Autor diese Vorgangsweise benutzte, da ja eigentlich beide, Helene und Alexander, den Erwartungen der Gesellschaft nicht entsprachen und dass es für beide schwierig war, ihren eigenen Weg zu finden. In diesem Sinne war Helene ein Vorbild für Alexander und half ihm indirekt, seine Träume zu verwirklichen. 

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